Heute unsere Jubiläumsetappe, 50 Etappen und 55 Tage unterwegs.
In der Nacht war es bitterkalt und in den umliegenden Zelten und Caravans Theater bis weit nach Mitternacht. Direkt neben uns schlief ein Hund in einem Zelt, der jede Bewegung mit Geheul kommentierte. Bis ich hinausgeschrien habe, er solle jetzt endlich die Schnauze halten, dann kümmerte sich sein Besitzer darum, dass er mit dem Gejaule aufhört.
Heute Morgen wollte ich gar nicht aufstehen, mir war so erbärmlich kalt, dass ich nicht aus dem Schlafsack wollte. Doch es half alles nichts, Evelin gab die Marschrichtung vor, Luft aus den Matratzen und Kopfkissen und raus aus dem Zelt. Es war so kalt, dass der Atem kondensierte. Im Waschhaus war geheizt, das nächste Problem, Brille angelaufen, null Sicht und raus in die Kälte willst du da zweimal nicht.
Kurz vor 9 Uhr war alles gepackt und wir sind in die Kälte gestartet. Der Campingplatz liegt in einem engen Flußtal und die Sonne beschien nur den Gegenhang. Auf unserer Seite war es weiterhin sehr frisch.
Es kamen uns sehr viele Pilger entgegen, die direkt neben der Straße hinter einer Betonabsperrung unterwegs waren. Es handelt sich um die Strecke, bei der Hape Kerkeling versucht hat mit seinem Pilgerstab die LKW zum ausweichen zu bringen. Damals gab es allerdings noch keine Autobahn und der ganze Verkehr rollte über die Nationalstraße.
Heute ist das anders, wegen der Autobahn, die hier wieder befahren werden darf, war auf der Nationalstraße so gut wie kein Verkehr.
Laut Komoot sollte es bis Ponferrada beständig abwärts gehen, doch es kamen einige Steigungen, zunächst in Villafranca del Bierzo und anschließend in den Weinanbaugebieten.
Erst ab Villafranca erreichte uns die Sonne und es ging uns gleich besser.
In einem Straßencafé in Cacabelos konnten wir uns, bei einem Café con Leche in der Sonne aufwärmen.
Zu Cacabelos gibt es auch eine Geschichte, als wir vor 18 Jahren da durch gefahren sind, vom Cruz de Ferro kommend, überkam es einen aus unserer Gruppe ganz schrecklich und er musste sofort und auf der Stelle Ballast abwerfen. Damals war noch nicht alles so verbaut wie heute, und er konnte sich hinter einer Mauer erleichtern. Als er zurückkam fragte ich ihn, ob er erfolgreich gewesen sei, worauf er antwortete, „Jo, das willst du nicht wissen, das war so ein Haufen, dass du dein Fahrrad hinanlehnen könntest“. Für diesen Spruch bin ich ihm ewig dankbar.
In Cacabelos findet gerade ein Mittelalterlicher Markt statt. Gewandete Menschen und Gondeln am Fluß. War schön anzusehen.
Schnell erreichten wir Ponferada und fuhren zunächst zum „blauen Franzosen“. Wir brauchten eine Gaskartusche, Imprägnierspray und warme Klamotten für die Nacht. Alles gefunden. Ich kaufte mir eine dicke Jogginghose und eine Joggingjacke mit Kapuze, jetzt kann die Kälte kommen.
Danach ging es in starkem Verkehr direkt zur Templerburg. Da war die Hölle los, Touristen und Pilger in Massen. Ich parkte auf dem Gehweg und Evelin ging in die Fußgängerzone um zu Fotografieren und Stempel für unsere Pilgerpässe zu organisieren.
Während ich wartete hatte ich einige Beratungsgespräche zu unserem Tandem.
Aus Ponferrada hinaus, war der Verkehr immer noch sehr stark und es ging eine lange, anspruchsvolle Steigung hinauf. Kurz vor erreichen der Kuppe, ging der erste Akku in die Knie und ich musste wechseln.
Anschließend ging’s fast bis Molinaseca hinunter. Molinaseca ist fest in Pilgerhand, ein schöner Fluss, in dem man auch baden kann und eine sehr schöne mittelalterliche Brücke, über die die Pilger, die vom Pass herunter kommen drüber müssen, um in die Stadt zu kommen.
Danach beginnt die Steigung zum Dach des Camino Frances, zum Foncebadon bzw. Cruz de Ferro. Das ist die höchste Stelle des Camino Frances.
Am Ortsausgang eine Kirche, die tatsächlich geöffnet hatte und Evelin zündete einige Kerzen, für Familie, Verwandtschaft und Freunde an. Insbesondere für Diejenigen, denen es gesundheitlich im Moment nicht gut geht, Ihnen wünschen wir baldige Genesung.
Zwischenzeitlich war es ziemlich heiß geworden und wir quälten uns die Passstraße hinauf. Keine Wolke am Himmel und der,Asphalt schon glühend heiß. Keine gute Kombination für unsere hitzeempfindliche Elektrik.
Wir krochen mit so wenig Motorunterstützung wie irgend möglich, zumeist im ersten Gang den Berg hinauf.
Nach einem Drittel der Strecke hielten wir bei einem Restaurant und luden die beiden Akkus nach, während wir etwas tranken und aßen.
Nach einer Stunde fuhren wir weiter. Jetzt war es unangenehm heiß und wir forderten den Motor ein wenig mehr, um heute noch auf den Berg zu kommen. Fußgänger wären schneller gewesen als wir. Im Gegensatz zu gestern war es heute keine permanente und gleichmäßige Steigung sondern beständig wechselnd. In diesem unteren Bereich war die Spitze bei 14%.
El Acebo war vor 18 Jahren ein völlig verschlafener Ort, die Durchfahrt zwar auch gepflastert und von den Kühen verschissen, ein paar Pilger und das war’s. Heute erkennt man den Ort nicht wieder. Ein riesiges Hotel, rechts vom Ort. Die Häuser im Ort, sehr schön renoviert, die Ortsdurchfahrt genauso beschissen wie früher. Viecher hatten sie keine mehr im Ort, in den ehemaligen Ställen wohnen jetzt Pilger und Touristen. Im Übrigen, viel mehr Touristen und Ausflügler als Pilger.
Nach dem Ort ging es ans Eingemachte, extreme Steigungen in praller Sonne, mochte unser Motor dann irgendwann nicht mehr, dem wurde es einfach zu heiß und er regelte die Leistung drastisch herunter. Eine Pause zum abkühlen half da nicht lange, also Last reduzieren. Evelin steigt ab und macht einen Spaziergang den Berg hinauf. Hilft leider auch nicht lange. Evelin ans Steuer, ich mache einen langen Spaziergang, viel besser.
Dann war der erste nachgeladene Akku leer und wir legten den zweiten nachgeladenen Akku ein. Wir sahen schon die Kuppe, als auch dieser Akku fertig war und wir den dritten, noch vollen Akku, einlegen mussten. Vor uns die letzte Steigung, des ersten Anstieges. Was für ein gemeiner Anstieg. Evelin muß wieder spazieren gehen. ein paar Meter vor uns eine junge Frau, die ihr gepacktes Rad 10 m Weise die Steigung hochschiebt. Sie ist erkennbar völlig am Ende. Mir tat es in der Seele weh nur mit einem Tagesgruß an ihr vorbeizufahren. Wir hielten an der Kuppe an und ich ging die 100 m hinunter zu ihr und half ihr das Rad hochzuschieben. Sie war sehr dankbar und erzählte uns, dass sie auf der Rückfahrt von Santiago nach Frankreich wäre und wir tauschten unsere Erfahrungen aus. Wenn ich sie richtig verstanden habe, will sie weiter nach Paris und von dort nach Deutschland.
Nach einem bonne Route ging es dann weiter.
Eigentlich wollten wir noch einen Stempel in Manjarin bei Thomas dem Tempelritter für unsere Pilgerpässe holen, aber das Anwesen darf nicht mehr betreten werden.
Nun denn, den letzten Anstieg zum Cruz de Ferro erledigten wir problemlos, mit voller Motorkraft, wir brauchten jetzt nicht mehr zu sparen und wußten, der Akku wird bis zur Unterkunft reichen.
Am Cruz de Ferro legten wir der Pilgersitte entsprechend mehrere Steine nieder. Nicht um Ballast abzuwerfen, sondern um unserer Familien, Verwandten und Freude zu gedenken. Wir hatte unterwegs „Herzsteine“ gesammelt, die wir dazu verwendet haben und den „Glücksstein“ den uns meine Schwägerin mitgegeben hat, speziell für Sie und Ihre Familie. Wir hoffen, es hilft und Ihr bleibt alle gesund bzw. werdet schnell wieder gesund.
Ich hatte beim Mittagessen ein Hotelzimmer in Rabanal del Camino gebucht, denn nach Astorga war es einfach zu weit.
Unser Zimmer ist in einem sehr alten, ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesen, mit Innenhof, in dem unser Tandem nebst Anhänger gut untergebracht sind. Außen sieht alles alt aus, die Zimmer sind aber sehr groß und sehr ansprechend, mit modernen und sauberen Sanitäreinrichtungen.
Morgen wollen wir bis Leon und dort auf einen Campingplatz, bevor es hinauf auf die Meseta geht, eine Hochebene, die fast bis Burgos reicht.
Landschaftlich war es heute absolut traumhaft, vor und nach dem Pass traumhafte Ausblicke hinunter in die Ebenen und auf die umliegenden Berge. Die Auto- und Motorradfahrer waren sehr rücksichtsvoll und immer wieder wurde aufmunternd gehupt oder aus den heruntergelassenen Fenstern gerufen. Und wir wurden fotografiert und gefilmt ohne Ende. Wäre schön zu wissen, wohin das alles gepostet wird.
Heute waren es 68, sehr schwere km. Wir brauchten 6 Stunden von Molinaseca, bis zur Passhöhe, abzüglich eine Stunde Mittag, also 5 Stunden, für 1200 hm.
Gesamtkilometer: 3838
Link zur Etappe:
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